Im Juli 2018 zog es mich zu einer Fotoexkursion auf den Schneibstein (2.276m) im Hagengebirge. Quer über den Schneibsteinrücken verläuft die Deutsch-/Österreichische Grenze. Die westliche Seite befindet sich im Nationalpark Berchtesgaden und ist Schutzgebiet. Rund um das Gipfelplateau halten sich in den Sommer- und Herbstmonaten größere Steinbockrudel auf. Sie gehören zu der Steinbockkolonie des Nationalpark Berchtesgaden, dessen Lebensraum sich quer über das Hagengebirge und Steinerne Meer bis zum Watzmanngipfel erstreckt. Anders im Winter: wegen der meist hohen Schneelage halten sich die selben Tiere dann fast ausschließlich auf den aperen Hängen oberhalb der Tauernautobahn im Salzburger Land auf.
Wer den Schneibsteingipfel an einem Tag erklimmen möchte, muss für Auf- und Abstieg ab Mittelstation der Jennerbahn mindestens 8 bis 9 Stunden einplanen. Alternativ empfiehlt sich eine Übernachtung auf dem Carl-von-Stahl-Haus, welches auf halber Strecke liegt.
Die Alpensteinböcke wurden im 19. Jahrhundert durch Überjagung und Wilderei fast ausgerottet. Ihr Überleben sicherte Italiens König Viktor Emanuel III., der das letzte Steinwildrudel der Alpen am Gran Paradiso unter Schutz stellte und sich das alleinige Jagdrecht vorenthielt. 100 Jahre später wurden die ersten Wiederansiedlungsprojekte gestartet. Reichsjägermeister Göring war es, der die Steinböcke zur Nazizeit ins Berchtesgadener Land brachte. Eine erste Kolonie wurde 1936 unweit seiner Jagdhütte nahe der Wasseralm ausgesetzt. Hierzu wurde eigens eine "Steinwild-Seilbahn" in die Röth errichtet, deren Reste heute noch zu finden sind. Von dort aus verbreiteten sich die Steinböcke nach dem Krieg über große Teile des heutigen Nationalparkgebiets.
Wer die Steinböcke am Schneibstein besuchen möchte, sollte Ausdauer und Trittsicherheit mitbringen. Auf dem Gipfelplateau kann man zu jeder Tageszeit Steinwild antreffen. Manchmal muss man mehr, manchmal wenige intensiv suchen. Das Gipfelplateau ist teils zerklüftet, sodass es sein kann, dass sich die Böcke und Geissen in einer der zahlreichen Schluchten verstecken. Dann ist Suchen angesagt.